Auszug aus:
Hans Köhler, Der Landkreis Bergheim (Erft),
in: Die Landkreise in Nordrhein-Westfalen,
Reihe A: Nordrhein, Band 2, Ratingen 1954, S. 280:

"Die Glashütte mbH. Ichendorf. Von den beiden Glashütten des Kreises ist die Ichendorfer die ältere. Es handelt sich um eine Spezial-Kelchglashütte, die mundgeblasene, veredelte Gläser in verschiedenen Formen produziert. Sie wurde bereits 1898/99 erbaut, kam aber nach anfänglichen Schwierigkeiten erst ab 1907 in regelmäßigen Betrieb. Die Hütte verdankt ihr Entstehen der Nähe des Rohstoffes Kohle, der in Form des aus Brikett erzeugten Generatorgases als Energiequelle dient. Der Quarz, der für diese Art Produktion besonders rein sein muß, wurde früher aus Schlesien bezogen und kommt heute aus Frechen.

Vom Jahre 1909 wird eine Belegschaft von 145, von 1929 eine solche von 400 Personen genannt. Der Höhepunkt der bisherigen Entwicklung war vor dem Kriege bei 750 Mann Belegschaft erreicht. Das Werk erzeugte damals (bis 1938) täglich rd. 30 000 Stück veredelter Gläser und hatte damit die größte Kelchglasproduktion in Deutschland. 80 v. H. hiervon gingen ins Ausland, besonders nach England; vom gesamten deutschen Export nach England an Kelchglas lieferte Ichendorf 85 v. H. Daneben waren die englischen Dominien, die Schweiz, Holland, Dänemark, Argentinien und bis nach 1933 auch die USA Hauptabnehmer Ichendorfer Glases.

Ab 1938 setzte hauptsächlich infolge Arbeitermangels ein Rückgang der Produktion ein. 1939 betrug die Belegschaft noch 530, 1945 nur noch 135 Personen. Nach Beseitigung der größten Kriegsschäden lief der Betrieb Mitte 1946 wieder an, konnte aber bis zur Währungsreform nur 30 v. H. seiner Kapazität erreichen; von drei vorhandenen Glasöfen war nur einer in Betrieb, vier Fünftel der Produktion gingen an die Besatzung, der Rest in den zivilen Sektor. Besonders hemmend war, daß sich die früheren Importländer gegen die Einfuhr veredelten Haushaltsglases aus Deutschland ablehnend verhielten. - Seit der Währungsreform hat sich die Produktion gut entwickelt, doch ist heute im Unterschied zur Vorkriegszeit der Absatz hauptsächlich ein Inlandabsatz. Die Firma produziert heute über 2000 verschiedene Kelchglasmuster.

Eine Hauptschwierigkeit ist der Mangel an Facharbeitern (Glasmachern). Unter der zugezogenen Flüchtlingsbevölkerung fand sich auch nur eine geringe Anzahl Facharbeiter. Die Heranziehung neuer Fachkräfte scheiterte an der Wohnungsfrage, die in Ichendorf wegen des Besatzungsbedarfs (Kraftfahrzeugpark) besonders schwierig ist. Bei einer Besichtigung des Werkes fällt der hohe Anteil jugendlicher Arbeitskräfte auf. Offenbar versucht die Werksleitung, sich auf diese Weise einen eigenen Stamm an Fachkräften heranzuziehen.

Die Stärke der Belegschaft stieg von 210 im November 1947 und 250 im Juni 1948 im November 1949 auf 320 und im September 1950 (Arbeitsstättenzählung) auf rd. 400-420. Die meisten Belegschaftsmitglieder wohnen in den Orten Ichendorf und Quadrath, der Rest in den übrigen Ortschaften des Amtes Bergheim."

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